Kurt Landauer by Dirk Kämper

Autor:Dirk Kämper
Die sprache: deu
Format: epub, mobi, azw3
ISBN: 9783280038390
Herausgeber: Orell Füssli Verlag
veröffentlicht: 2014-09-08T04:00:00+00:00

München, Nürnberg – 1932

Auch Bayern, die sich danebenbenehmen, können den Triumph nicht verhindern

Mit hochrotem Kopf, obwohl frierend, steht Landauer im Dezember 1931 auf der Tribüne des Grünwalder Stadions und kann kaum glauben, was er da sieht. Die Sechziger, amtierender deutscher Vizemeister, mit einer Brust breit wie das Isartor, führen die Bayern vor mehr als 20 000 Zuschauern schon zum zweiten Mal vor, als wären es Kreisklassespieler. Das erste Derby in der Südbayerischen Meisterschaft haben die Blau-Weißen 2:0 gewonnen. Dieses Mal geht es gar 6:2 aus. Eine Blamage sondergleichen. Es ist nicht so, dass die Bayern wirklich schlechten Fußball bieten würden. Seit Kohn Trainer ist, kann davon eigentlich keine Rede mehr sein. »Little Dombi« verfolgt eine ganz eigene Trainingsphilosophie, die Früchte zeigt: Er trainiert nicht, wie viele seine Vorläufer, technische Fertigkeiten als Selbstzweck, sondern der Spieler muss diese Fähigkeiten auch unter dem Druck der 90-minütigen Spielsituation beherrschen. Also lässt er alle Übungen unter realistischen Bedingungen abhalten, wo jeder Spieler sich immer einem Angreifer oder Abwehrspieler gegenüber sieht.

Trotz der innerstädtischen Demütigung haben die Bayern noch alle Chancen auf den südbayerischen Titel, bei dem von zehn Aspiranten allein fünf aus München kommen. Doch die Art und Weise, wie die Löwen seine Bayern entzaubert haben, macht ihm Angst. Schweren Herzens muss er sich eingestehen, dass der Anspruch der Sechziger auf den ersten Meistertitel einer Münchner Mannschaft begründeter ist als der des FC Bayern. Aber am Ende geht es noch einmal gut, ganz knapp. Als Südbayerischer Meister zieht man in die Endrunde um die Süddeutsche ein, gemeinsam mit den Löwen. Und diesmal wird der Lokalrivale in beiden Partien empfindlich geschlagen. Landauer beginnt ein leichtes Kribbeln in der Bauchgegend zu spüren.

Das Kribbeln steigert sich. Auch die Endrunde um die Süddeutsche wird erfolgreich absolviert.89 Im letzten Spiel geht es am 1. Mai gegen die Frankfurter Eintracht, gespielt wird in Stuttgart. Und da beide Mannschaften sich schon für die Endrunde um die Deutsche Meisterschaft qualifiziert haben, geht es eigentlich nur noch um die Ehre. Und um Eindrücke natürlich, die man in der nächsten Runde nutzen kann. Der blutjunge Stürmer Oskar »Ossi« Rohr zum Beispiel, auf den man in Mannheim aufmerksam geworden ist, gefällt Landauer immer besser. Und obwohl die Frankfurter in der zweiten Halbzeit 2:0 führen, lässt Rohr keine Möglichkeit aus, den Ball im Strafraum an sich zu ziehen. Leider ist der Schiedsrichter nicht ganz auf der Höhe, einen eindeutigen Handelfmeter nach einem Pass auf Rohr will er nicht geben. Auf der Tribüne macht sich mehr als lautstark Unruhe breit, auch die Stuttgarter Zuschauer beginnen zu murren. Und als der Schiedsrichter in einer ähnlichen Situation wieder nicht pfeift, gerät die Situation binnen Minuten außer Kontrolle. Es beginnt fast harmlos, plötzlich spazieren Zuschauer einfach mir nichts dir nichts über den Platz, als wollten sie ihrem Unmut öffentlich Ausdruck verleihen. Besorgt stellt Landauer fest, dass die Spaziergänger Bayern-Fans sind. Als einer von ihnen aus der Rolle fällt – er kann hinterher gar nicht mehr sagen, ob der Stoß einem Frankfurter galt oder dem Schiedsrichter –, explodiert das Pulverfass. Sofort stürmen Hunderte Bayern den Platz.

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